Hexahydrocannabinol: Großer Hype um neues, synthetisches Cannabinoid (2024)

Das psychoaktive Hexahydrocannabinol (HHC), ein Cannabinoid, wird derzeit als Alternative zu Tetrahydrocannabinol (THC) gehandelt. Es wirkt laut Einzelberichten ähnlich wie THC und ist bisher leicht zugänglich – auch für junge Menschen. Ein Bericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht gibt einen Überblick zu bisherigen Erkenntnissen zu HHC[1,2].

Was ist über Hexahydrocannabinol momentan bekannt?

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht des European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) steht eine Substanz im Mittelpunkt: Hexahydrocannabinol (HHC). HHC wird aus Cannabidiol (CBD) synthetisiert, das aus Cannabispflanzen (Hanf) mit niedrigem THC (Tetrahydrocannabinol)-Gehalt gewonnen wird. Es handelt sich um das 1. halbsynthetische Cannabinoid, über das in der EU berichtet wird. Seit Oktober 2022 wird es als neue psychoaktive Substanz vom EU-Frühwarnsystem überwacht.

Gegenwärtig ist relativ wenig über die Auswirkungen und Risiken des HHC-Konsums bekannt. Ziel des Berichts ist es, das Bewusstsein für den sich rasch entwickelnden Markt für HHC und verwandte halbsynthetische Cannabinoide zu stärken und einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse zu geben.

HHC ist nicht das einzige neue halbsynthetische Cannabinoid

Bis 31. März 2023 hatten 20 EU-Mitgliedstaaten und Norwegen die Identifizierung von HHC gemeldet. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts wurde HHC in den meisten europäischen Ländern nicht kontrolliert.

Seit dem 1. Nachweis von HHC in Europa tauchten 2 weitere halbsynthetische Cannabinoide, HHC-Acetat (HHC-O) und Hexahydrocannabiphorol (HHC-P), in Europa auf. Diese Entwicklung könnte die erste größere Veränderung auf dem Markt für „legale“ Ersatzstoffe für Cannabis darstellen, seit Produkte vom Typ Spice, die synthetische Cannabinoid-Rezeptor-Agonisten enthalten, vor etwas mehr als 15 Jahren in Europa den Markt geprägt haben.

Wohl THC-ähnliche Wirkung, aber keine relevanten Studien

Einer kleinen Zahl von Laborstudien zufolge scheint HHC ähnlich wie THC zu wirken. Daten gibt es über Hornhautreflexe im Auge von Kaninchen, Ataxien bei Hunden, Tetrad-Tests mit Mäusen, diskriminierende Reize bei Ratten und Tauben sowie über das Verhalten von Rhesusaffen.

Bei den letztgenannten Tieren zeigt eine Dosis von 1 mg/kg 9β-HHC i. v. einen sehr starken Aktivitätsverlust bei ansonsten wachem Bewusstseinszustand (Stupor), schwere Ataxie, vollständige Ptosis, Immobilität, kauernde Haltung für mehr als 3 Stunden, und fehlende Reaktionen auf äußere Reize.

Bisher fehlen relevante Dosis-Wirkungs-Studien am Menschen. Die pharmakologischen und verhaltensbezogenen Wirkungen von HHC sind unbekannt, obwohl anekdotische Berichte von Konsumenten darauf hindeuten, dass auch bei ihnen die Wirkung ähnlich wie die von Cannabis sein könnte.

Ersatz für Cannabis und THC-Produkte

HHC wird offen als Ersatz für Cannabis und THC-Produkte in einer Reihe von Marken- und Nichtmarkenprodukten verkauft. Dazu gehören Cannabisblüten und -harz mit niedrigem THC-Gehalt mit HHC-Zusatz, Vape-Pens, E-Liquids und E-Liquid-Kartuschen für die Verwendung in E-Zigaretten sowie Esswaren und Öle. In Marketing und Werbung werden häufig Vergleiche mit der Wirkung von Cannabis und THC gezogen.

Laut Literatur scheine HHC kein aktiver Bestandteil in Human- oder Tierarzneimitteln zu sein, heißt es in dem Bericht. Es sei vielmehr so, dass sich der derzeitige rechtmäßige Einsatz von HHC auf klinische und forensische Fallarbeit sowie auf wissenschaftliche Forschung beschränke. Es sei jedoch möglich, dass weitere Untersuchungen therapeutisch nützliche Eigenschaften aufdeckten. HHC habe eine ähnliche, aber nicht identische Pharmakodynamik und Pharmakokinetik wie THC.

Studie untersuchte Toxikologie in menschlichen Zellen

Die Toxikologie und Sicherheit von HHC wurden bis vor kurzem noch nicht untersucht. In einerStudiewurde nun allerdings die Zytotoxizität von HHC auf Kardiomyozyten, menschliche Lungenfibroblasten und menschliche Hepatozyten erforscht.

Es ergab sich kein Hinweis auf kardiale Sicherheitsprobleme. HHC wies auch keine Zytotoxizität für menschliche Leberzellen auf. In menschlichen Lungenfibroblasten entfaltete HHC eine potenziell zytotoxische Wirkung, wenn die Konzentration von 10 mM überschritten wurde. Die Autoren schreiben jedoch, dass eine sichere Einnahme durch den Menschen ohne Komplikationen möglich sei.

Eine Gefahr sei aber immer durch Kontamination mit Extraktionsrückständen oder synthetischen Nebenprodukten gegeben. Auch Spuren von Schwermetallen könnten enthalten sein, um nur einige gesundheitliche Risiken zu nennen.

Missbrauch und Abhängigkeit bisher nicht untersucht

Die Missbrauchsanfälligkeit und das Abhängigkeitspotenzial von HHC sind bisher nicht untersucht worden. Daten aus pharmakologischen und verhaltensbiologischen Experimenten mit mehreren Tierarten sowie in-vitro-Studien deuteten aber darauf hin, dass HHC beim Menschen zu Missbrauch und Abhängigkeit führen könne, heißt es in dem Bericht der EMCDDA.

Meist kursieren nur kleine Mengen

Seit Oktober 2022 wurden der EMCDDA rund 50 Fälle von beschlagnahmten HHC-haltigen Produkten gemeldet, die sich auf etwa 70 kg und fast 100 Liter Material beliefen. Bei den meisten dieser Sicherstellungen handelte es sich um kleine Mengen, aber 3 große Beschlagnahmungen in Italien, Polen und Deutschland lassen auf einen potenziell größeren Handel schließen.

HHC kann sowohl von bestehenden als auch von neuen Cannabis-Konsumenten eingesetzt werden, darunter auch junge, unerfahrene Menschen. In einigen Fällen kann der leichte Zugang über CBD- und Vape-Shops in Einkaufsstraßen den Konsum fördern.

Situation wird beobachtet

Der aktuelle Bericht ist Teil einer Reihe von Maßnahmen, mit denen die EMCDDA auf die potenziellen Risiken für die öffentliche Gesundheit und die Gesellschaft durch den neuen HHC-Markt reagieren will. Dazu gehören die genaue Beobachtung der Situation und die regelmäßige Überprüfung von Signalen zu diesen Stoffen über das Frühwarnsystem sowie Expertentreffen.

Der Beitrag ist im Original erschienen aufColiquio.de.

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