Antirassismus und Klimagerechtigkeit gehören zusammen (2024)

Wie rassistisch ist die Klimakrise?Alice Swift von Reclaim the Power über den Zusammenhang von Antirassismus und Klimagerechtigkeit.

von Ilana Krause; in a&k

Das britische Klimagerechtigkeitsnetzwerk Reclaim the Power veranstaltet diesen Sommer ein Aktionscamp mit dem Namen »Power Beyond Borders«. Es findet vom 26. bis 30. Juli im Südosten Englands statt. In den letzten Jahren ist Reclaim the Power vor allem für seinen Anti-Fracking-Aktivismus bekannt geworden, insbesondere gegen den Standort der Firma Cuadrilla in Lancashire. Ziel des Camps ist die engere Kooperation der Bewegungen für Klimagerechtigkeit und der für die Rechte der Migrant*innen. Im Gespräch mit Ilana Krause von Ende Gelände erläutert Alice Swift die Ziele des Camps. Swift ist seit 2010 als radikale Klimaaktivistin in Großbritannien aktiv.

Reclaim the Power plant im Juli ein Camp und eine Aktion mit dem Ziel, Antirassismus und den Kampf für Klimagerechtigkeit zu verbinden. Kannst du uns etwas über den Hintergrund erzählen? Wie hängen diese beiden Themen zusammen?

Alice Swift:Im März 2017 hielten 15 Aktivisten einen Charterflug nach Nigeria und Ghana vom Start am Flughafen Stansted ab. Dieser Flug sollte Asylbewerber, Geflüchtete und Migranten in ihre Herkunftsländer bringen. Viele von ihnen waren nach Großbritannien gekommen, weil sie vor Verfolgung, Folter, Gefangenschaft und Tod fliehen mussten. Die britische Grenzpolitik ist im Laufe der Jahre immer schlimmer geworden – ein gezielter Versuch der ehemaligen Innen- und Premierministerin Theresa May, eine »feindliche Umwelt« für Migrant zu schaffen. Menschen werden auf unbestimmte Zeit in Internierungslagern gefangen gehalten und oft von der Grenzbehörde oder der Polizei aus ihren Häusern und Arbeitsplätzen abgeführt. Es gibt Aussagen von inhaftierten Geflüchteten, in denen Gewalt, Vergewaltigung und Missbrauch in Haftanstalten beschrieben werden.

Was war die Folge der Flugzeugblockade?

Es wurden die Asylanträge von mehreren Flugzeuginsassen angenommen. Darunter eine Person, die so die Geburt ihres Kindes im Vereinigten Königreich erleben konnte. Es brachte Menschen zusammen, die in den Bereichen Klima- und Ökoaktivismus, LGBTQ-Befreiung und Solidaritätskampagnen für Migrant*innen viel Erfahrung gesammelt hatten. Allerdings wurden die Aktivisten einige Monate nach der Blockade von der Staatsanwaltschaft wegen einer terroristischen Straftat angeklagt. Sie wurden nach einem über viermonatigen Prozess verurteilt. Die Begründung: »die Absicht, den sicheren Betrieb eines Flugplatzes einschließlich der Menschen auf ihm zu stören«. Dem Gefängnis entkamen sie nur knapp.

Okay, aber wie hängt der Protest gegen Abschiebungen mit dem Thema Klimagerechtigkeit zusammen?

Der Brexit wurde durch einen rassistischen Hass auf Migranten angeheizt. Er ging von denselben Gruppen aus, die den Klimawandel häufig leugnen. Krasse Ungleichheiten, Angriffskriege und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen veranlassen Menschen dazu, ein menschenwürdiges Leben im Vereinigten Königreich und im Westen zu suchen. Und das ist nicht nur Zufall, sondern das Ergebnis rassistischen Politik des kolonialen Kapitalismus. Er hat die Menschen des globalen Südens ausgebeutet und getötet, um im globalen Norden Wohlstand anzuhäufen.

Welche Rolle spielt der Klimawandel?

Wir betrachten den Klimawandel als das bösartige Symptom des Kapitalismus par excellence – die schlimmste Manifestation der Krise des Kapitalismus, die uns an den Punkt des vollständigen ökologischen Zusammenbruchs bringt. So wie der Kapitalismus People of Color und Menschen des globalen Südens – mit Ausnahme der herrschenden Klassen – verarmt, so betreibt er auch Raubbau an der Erde und ihren Lebewesen. Wir müssen bei der Schaffung einer echten Bewegung für Klimagerechtigkeit die Forderungen derjenigen erkennen und einbeziehen, die am stärksten vom fossil-befeuerten Kolonialkapitalismus betroffen sind.

Wie sieht das konkret aus?

Wir unterstützen seit Jahren Gemeinden, die gegen den Abbau von fossilen Brennstoffen kämpfen. In Wales gab es bereits einen großen Erfolg: das Verbot der Erweiterung bestehender Kohlebergwerke und das der Errichtung neuer Bergwerke. Im Nordosten Englands wurden jedoch eine Reihe neuer Kohlebergwerke erschlossen, da Unternehmen versuchen, vor Ende des anvisierten Kohleabbaus in 2025 noch Nägel mit Köpfen, sprich Geschäfte zu machen. Neben der Kohle konzentrieren wir uns auf die Bekämpfung von Fracking. Britische Unternehmen, die von der Regierungspolitik gefördert werden, errichten immer noch Gasinfrastrukturen enormen Ausmaßes. Ihrer Meinung nach handelt es sich bei gefracktem Gas um einen »Übergangsbrennstoff« zwischen Kohle und erneuerbaren Energien. Dieses sogenannte Dash for Gas, das sich auf importiertes US-amerikanisches Frackinggas und russisches Gas stützt, wird uns auf Jahrzehnte in den verantwortungslosen Verbrauch von fossilen Brennstoffen verstricken. Angesichts unserer historischen Verantwortung für den Kolonialismus und unserer hohen Kohlenstoffverschuldung ist es an der Zeit, unseren Kampf für die Einbeziehung der globalen Frontline Communities, also den als erstes und am schlimmsten von den Folgen des Klimawandels betroffenen Gemeinschaften, sowie von Migranten und der globalen Mehrheitsbevölkerung zu verstärken.

Reclaim the Power ist eine Klimagerechtigkeitsgruppe. Mit welchen Gruppen aus anderen Bereichen arbeitet ihr für die Juli-Aktion zusammen? Was sind die Herausforderungen?

Wir arbeiten weiterhin mit lokalen Frontline Communities zusammen, die sich gegen fossile Treibstoffe einsetzen, etwa mit Frack Free Lancashire und die United Valleys Action Group. Da wir aber versuchen, die Kämpfe um Klimagerechtigkeit und Migrantensolidarität zu verbinden, suchen wir den Kontakt zu Organisationen, die Migrant*innen unterstützen, sowie zu radikalen Schwarzen und ethnischen Minderheitenorganisationen. Dazu gehören End Deportations, die All African Women’s Group & Lesbians und Gays Support the Migrants.

Sicher kein ganz einfaches Vorhaben…

Das ist in der Tat eine Herausforderung, da wir eine sehr weiße Organisation sind. Wir tragen die Verantwortung für die Geschichte der ökologischen Bewegung, da sie oft rassistische Machtverhältnisse reproduziert. Deshalb war es für uns wichtig, unser weißes Privileg gemeinsam zu verstehen und die Anliegen dieser Gruppen ernst zu nehmen. Zum Beispiel wollten wir unserem Aktionscamp ursprünglich den Namen »Burn Borders Not Gas« geben. Nachdem wir mit Migranten sprachen, die beobachtet hatten, wie ihre Häuser von der Grenzpolizei im Dschungel von Calais buchstäblich niedergebrannt worden waren, änderten wir den Namen in »Power Beyond Borders«.

Wie wird die Aktion aussehen?

Dazu nur so viel: Reclaim the Power war bei allen Ende Gelände-Aktionen präsent, und wir sind von diesen sehr begeistert. Wir hoffen, dass wir diese in einer massenhaften Aktion nachahmen können, die auf einen Teil der Gasinfrastruktur zielt.

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